Folge 2: DGPharMed Jahrestagung - Highlights

Am 18. und 19. April hat die Jahrestagung der DGPharMED in Mainz stattgefunden.

Prof. T. Sudhop vom BfArM hat die aktuellen und geplanten Entwicklungen im Bereich der klinischen Forschung aufgezeichnet. Er berichtete, dass bisher über 4000 Anträge über das Clinical Trials Information System (CTIS) eingereicht wurden. Von diesen wurden mehr als 2000 klinische Prüfungen genehmigt. Etwa 20% der Anträge waren aus vermeidbaren Gründen nicht erfolgreich. Spanien, Frankreich und Deutschland stehen an der Spitze der Antragssteller, wobei Deutschland mit fast 250 Anträgen als Reporting Member State (RMS) bei multinationalen Studien den zweiten Platz belegt. Deutschland hat jedoch einen Mangel an rein nationalen Studien. Die durchschnittliche Bearbeitungszeit beträgt etwa 100-110 Tage bei multinationalen Studien und konnte auf etwa 80 Tage bei rein nationalen Studien verkürzt werden, wobei das Ziel ist, diese auf 26 Tage zu reduzieren. Die Herausforderungen, mit denen die Klinische Forschung in Deutschland konfrontiert ist, sind mannigfaltig.  Vertragsverhandlungen sind zu langwierig. Die regulatorischen Anforderungen sind in Deutschland zu komplex. Die Verfahrensdauer ist zu lange und bestimmte dezentrale Elemente, wie bsp. der Versand von Prüfpräparaten an Patienten wurde bisher erschwert bzw. verhindert. Es sind Erleichterungen für Early-Phase-Studien mit integrierten Phase Ia-(IIa)-Protokollen geplant. Das geplante Medizinforschungsgesetz soll spezielle Regelungen für Prüfpräparate umfassen, einschließlich eines Sondervertriebswegs und einer einheitlichen Kennzeichnung der Label in englischer Sprache. Zudem ist die Bildung einer spezialisierten Ethikkommission vorgesehen. Um die Vertragsverhandlungen zu verkürzen, wurden Mustervertragsklauseln erstellt, auf die jeder zurückgreifen kann. Die Zuständigkeit der Ethikkommissionen für kombinierte klinische Prüfungen (Arzneimittel + In-vitro-Diagnostika) wird nach dem Arzneimittelgesetz geregelt.

Dr. I. Romero Matuschek, ICON und Dr. U. Vollmer, Bayer AG haben ihre Erfahrungen mit der EU Verordnung bzw. dem CTIS geschildert. Dabei wurde die Sponsor und die CRO Perspektive dargestellt. Von Sponsor-Seite wurde über die Metrices und die Timelines gesprochen sowie einen Überblick über die neuen Transparenz-Regeln gegeben. Außerdem hat Dr. Vollmer Lessons Learned geteilt zum Event Reporting, zu Einreichungen von IMPD-Qs, zum EMA Risk Management Plan und zu häufigen Fehlern das CTIS betreffend.

Aus CRO-Sicht wurde von  Dr. Romero Matuschek die CTIS User Rollen für gemeinsame Verantwortlichkeiten des Sponsors und der CRO dargestellt. Weiterhin hat sie über die Transition der Klinischen Prüfungen gesprochen, die unter der EU Direktive gestartet sind. Dabei ging es im Besonderen um die Strategien zur Einreichung und Metrices. Außerdem gab  Dr. Romero Matuschek hilfreiche Tipps, wo Informationen zu der EU Verordnung und dem CTIS gefunden werden können. Aus der Erfahrung heraus wurde die Empfehlung gegeben, dass Dokumente erst in das CTIS hochgeladen werden sollen, wenn sie final vorliegen. Während Einreichungen sich in der Bewertungsphase befinden, sollen keine weiteren Entwürfe hochgeladen werden. Außerdem wird nicht empfohlen substanzielle Änderungen für Multi-Trials vorzunehmen, weil die Versionen sich immer auf die speziellen Dokumentennamen beziehen. Während Reparaturen durchgeführt werden, sollte nicht im CTIS gearbeitet werden, weil eine Widerherstellung nach einem Ausfalls des Systems nicht möglich ist.

Anschließend haben Dr. R. Pfefferle, Caidya und Dr. A. Beust, GCP-Service International Ltd. & Co. KGA über das Pro & Contra der ICHE6(R3)-Guideline gesprochen und die Frage gestellt, ob diese einen Schritt voran darstellt. Dr. Beust repräsentierte die Contra-Seite und hat zunächst die Erwartungen an die aktuelle Version dargestellt, die durch den vermehrten Wechsel der Dokumentation von Papier hin zu Elektronik und den damit verbundenen Anforderungen geprägt ist / war. Hinzu kamen die Auswirkungen der Pandemie und eine stetig steigende Zahl von Datenquellen. Insgesamt aber hat sich die Effizienz in den Klinischen Prüfungen verschlechtert. Somit ist die Erwartung an die neue Guideline eine Steigerung der Effizienz, mehr Klarheit und die Konzentration auf aktuelle Themen. Dr. Beust hat geschlussfolgert, dass ICH GCP E6 mehr als eine Guideline ist, weil es eine Vorgabe zur Erfüllung gibt. Damit müssen die Anforderungen klar definiert werden, weil sonst Sponsoren und Prüfärzte verunsichert werden und damit auch die Effizienz reduziert wird.

Dr. Pfefferle hat die Pro-Seite repräsentiert mit dem Blick auf das Quality Risk Management (QRM). Sie sieht bei der Guideline eine direkte Verbindung zu ICH E8(R1) und damit ein risiko-basiertes Qualitätsmanagement mit folgenden Voraussetzungen: angepasst an die jeweiligen Anforderungen, Qualität schon bei der Planung und risikoadaptiert. All dies soll zu einer besseren Qualität der Klinischen Prüfung führen. Letztendlich bietet die neue ICH GCP Guideline ein hohes Maß an Flexibilität, die benötigt wird durch unterschiedliche Studiendesigns, den Einsatz neuer Technologien, der steigenden Menge an gesammelten Daten und der Einbeziehung von mehreren Dienstleistern. Zudem ist die Guideline besser strukturiert als die vorhergehende Version.

Am zweiten Tag hat Prof. T. Schinköthe, CANKADO GmbH einen sehr interessanten Vortrag zu der Anwendung von KI in der pharmazeutischen Medizin gehalten. Zunächst wurden drei Hauptanforderungen an Daten für die Anwendung von KI in der pharmazeutischen Medizin dargestellt: Qualität, Quantität und Diversität. Es gibt zwei Hauptwege der Generierung Künstlicher Intelligenz (KI): das Supervised Learning, bei dem ein bereits bekanntes Ziel erreicht werden soll, und das Unsupervised Learning. Durch die Verwendung synthetischer Daten kann die KI fiktive Patienten generieren, in dem reale Daten mit hinzugezogen werden. Ein Vorteil von KI ist ihre Anpassungsfähigkeit und die Fähigkeit, aus Misserfolgen zu lernen. Es gibt jedoch auch verschiedene Herausforderungen bei der Anwendung von KI, darunter die Notwendigkeit, fortgeschrittene statistische Konzepte weiterzuentwickeln, sowie die Schwierigkeit, den Prozess der KI-Entscheidungsfindung nachzuvollziehen, da sie sich für den User als "Black Box" darstellt. Es ist oft nicht klar erkennbar, wie die KI gelernt hat, und die Daten des Trainings sind auch nicht Teil der KI selbst. Zum Abschluss hat Prof. Schinköthe auf neue Tools wie "Scholar GPT" und "PDF Research Assistant" hingewiesen, die jeweils verschiedene Funktionen für die Verarbeitung wissenschaftlicher Texte bieten.

Der zweite Teil des Vormittags war geprägt durch die Bedeutung der Patient Centricity in der täglichen Praxis. Zunächst hat K. Arndt, Deutsche Sarkom Stiftung die Sicht des Patienten erläutert und darauf hingewiesen, dass Patientenzentrierung von regelmäßigen Updates und neuen Gedanken lebt. Anschließend haben N. Bohrmann und I. Tongbhoyai, beide von emovis by FutureMeds die Vorteile von dezentralen Studien aufgezählt. Dazu wurde zunächst der Begriff Dezentrale Studien definiert und dann wurde auf die Wichtigkeit von Synergien zwischen Stakeholdern verwiesen. Herausgestellt wurde, dass Mobile Gesundheitsdienste die Patientenzentrierung fördern. Dezentrale Studien sind erfolgreich, wenn die Reichweite für Patienten ausgeweitet wird und wenn die Datenintegrität und die PI Oversight eingehalten werden. Zum Abschluss dieser Themenreihe hat  D. Schemmer, Buveba e.V. einen Überblick über die Patientenzentrierung in der täglichen Praxis gegeben.

Der Nachmittag hat mit der Vorstellung der Mustervertragsklauseln in klinischen Prüfungen durch Dr. P. Wissing, MFT Medizinischer Fakultätentag begonnen. Der Grund für die Erstellung von Mustervertragsklauseln ist die Erkenntnis, dass  ein erkennbarer Verbesserungsbedarf bei der Vertragsgestaltung für klinische Prüfungen besteht aufgrund der Komplexität der Verträge und der damit verbundenen zeitintensiven Ressourcen. Im Durchschnitt dauern Vertragsverhandlungen aktuell etwa 150 Tage. Bereits im Jahr 2019 wurden Mustervertragsklauseln entwickelt. Beispielsweise betrifft eine dieser Musterklauseln die Rechte an geistigem Eigentum (IP), wobei alle Ergebnisse dem Auftraggeber zustehen. Als Fazit wird die Bedeutung von Standardvertragsklauseln als wichtiger Baustein für einen beschleunigten Studienbeginn betont. Weitere Informationen zu den Mustervertragsklauseln sind unter der Website https://mustervertragsklauseln.de verfügbar.

Zum Abschluss der Präsentationen hat Prof. G. Schmidt, Arbeitskreis Medizinischer Ethikkommissionen e.V. über Herausforderungen für die Ethikkommission in Deutschland gesprochen. Zunächst hat Prof. Schmidt den Entwurf des Medizinprodukte-Forschungs-Gesetzes (MFG) vorgestellt, das vorsieht, dass die Bundesoberbehörden (BOB) als Gatekeeper fungieren. D.h. Anträge auf klinische Prüfungen werden an das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) weiterleitet, welches diese dann an Ethikkommissionen oder spezialisierte Ethikkommissionen (S-EK) übermittelt. Die S-EK ist dann aber nicht unabhängig sind, führt zu paralleler Bürokratie, verursacht höhere Kosten und wird Schwierigkeiten bei der Abgrenzung aufweisen. Der Arbeitskreis Medizinischer Ethikkommissionen unterbreitet daher einen Vorschlag für die zukünftige Regelung. Dieser sieht vor, dass einige wenige Ethikkommissionen mit Spezialisierung identifiziert werden, die von dem Arbeitskreis der Medizinischen Ethikkommissionen organisiert werden. Somit blieben die Ethikkommissionen unabhängig und diese Variante ist kostengünstiger als der Alternativvorschlag. Zudem plant der Arbeitskreis Medizinischer Ethikkommissionen eine elektronische Erstellungshilfe für Studienprotokolle und Einverständniserklärungen (ICF) bereitzustellen. Weiterhin sollen generische Vertragsmuster zur Vereinfachung der Vertragsverhandlungen eingeführt werden. Eine datenschutzrechtliche Stellungnahme ist nur erforderlich, wenn ein erkennbares Risiko besteht und dies von der Ethikkommission ausgelöst wird.

Insgesamt war die Jahrestagung eine gelungene Veranstaltung mit sehr interessanten Themenkomplexen.


Unsere Webseite nutzt Cookies

Dazu gehören essentielle Cookies, die für den Betrieb der Seite notwendig sind, sowie andere, die nur für anonyme statistische Zwecke, für Komfort-Einstellungen oder zur Anzeige personalisierter Inhalte verwendet werden. Sie können selbst entscheiden, welche Kategorien Sie zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass aufgrund Ihrer Einstellungen möglicherweise nicht alle Funktionen der Website verfügbar sind.

Unsere Webseite nutzt Cookies

Dazu gehören essentielle Cookies, die für den Betrieb der Seite notwendig sind, sowie andere, die nur für anonyme statistische Zwecke, für Komfort-Einstellungen oder zur Anzeige personalisierter Inhalte verwendet werden. Sie können selbst entscheiden, welche Kategorien Sie zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass aufgrund Ihrer Einstellungen möglicherweise nicht alle Funktionen der Website verfügbar sind.

Gespeichert!