Unter TMF verstehen wir zunächst einmal sowohl den TMF beim Sponsor oder bei der CRO als auch den Investigator Site File (Bezeichnung in der EU) oder den Regulatory Binder (Bezeichnung in den USA). Der TMF kann in Papierform, in elektronischer Form oder auch aus beiden Formaten bestehen. In dem Fall, dass ein Teil des TMFs aus Papier besteht und ein anderer Teil in elektronischer Form vorliegt, spricht man von einem Hybrid-TMF. CAVE: Mit einem elektronischen TMF ist nicht gemeint, dass Dokumente eingescannt und als pdf-Dokumente in ein elektronisches System hochgeladen werden, sondern es muss sich hierbei um ein validiertes, elektronisches System mit einem Audit-Trail etc. handeln. Egal in welcher Form der TMF vorliegt – die essentiellen Dokumente müssen zu jeder Zeit vollständig vorzufinden sein, um den Anforderungen der „Inspection readiness“ zu genügen.
Was sind nun die essentiellen Dokumente?
Die Definition der Essentiellen Dokumente nach der ICH GCP E6 Guideline (R2) Sektion 8 besagt, „Essentielle Dokumente sind Dokumente, die einzeln und zusammenhängend die Evaluation der Durchführung einer klinischen Prüfung und der Qualität der produzierten Daten zulassen“. Benötigt werden die Essentiellen Dokumente also, um zu zeigen, dass der Prüfarzt, der Sponsor und der Monitor GCP, die notwendigen Regularien, SOPs und das Protokoll befolgt haben. In der Regel sind dies auch die Dokumente, die während eines Audits oder einer Inspektion angesehen werden, um die Validität und die Integrität der Daten zu überprüfen. Mit dem Addendum der ICH GCP E6 Guideline (R2) wurde festgelegt, dass sowohl der Prüfarzt als auch der Sponsor eine Dokumentation über die Ablage der Essentiellen Dokumente führen soll. Dies schließt auch Quelldaten mit ein. Ab Sektion 8.2 der ICH GCP E6 Guideline (R2) bekommen wir einen Überblick über die einzelnen Dokumente, die als essentiell erachtet werden und wo (ob beim Sponsor oder beim Prüfarzt) diese abgelegt sein sollen. Diese Übersicht konzentriert sich aber nur auf die wichtigsten, die essentiellen Dokumente.
Nun gibt es eine Vielzahl weiterer Dokumente, die ebenfalls notwendig sind für die vollständige Rekonstruktion einer Klinischen Prüfung. Um die Ablage dieser Dokumente zu erleichtern und Findings in Inspektionen und Audits zu minimieren wurde das TMF Reference Model von der TMF Reference Model Arbeitsgruppe der DIA (Drug Information Association) erstellt. Die TMF Reference Model Arbeitsgruppe wurde 2009 gegründet und bereits 2010 wurde eine erste Version des TMF Reference Models veröffentlicht. Mit der aktuellen Version 3 wurden die Artefakte und Zonen spezifiziert, die Subartefakte übersichtlicher gestaltet und die Struktur verbessert.
Das TMF Reference Model unterliegt einer steten Anpassung, um den Erwartungen der regulatorischen Behörden und auch den Veränderungen der Industriestandards zu entsprechen. Um dies gewährleisten zu können, sind alle KollegInnen, die in der Klinischen Forschung arbeiten, eingeladen in der Arbeitsgruppe mitzuarbeiten. Die Mitarbeit erfolgt auf freiwilliger und unentgeltlicher Basis. Bei Interesse kann man sich unter https://tmfrefmodel.com/ informieren und engagieren.
Das TMF Reference Model ist vorrangig für die Ablage der Dokumente bestimmt, die beim Sponsor oder bei der CRO abgelegt werden. Das TMF Reference Model ist weniger für die Ablage der Zentrumsdokumente geeignet.
Um aber auch die Ablage der Dokumente an den Zentren (im ISF/Regulatory Binder) zu vereinheitlichen, wurde im Februar 2020 von MAGI (Model Agreements & Guidelines International) das ISF Reference Model oder „Regulatory File Table of Contents“ v0.9 herausgegeben.
Das Ziel von MAGI ist Prozesse innerhalb der Klinischen Forschung zu vereinheitlichen, indem standardisierte Prozesse als Best Practices geteilt werden.
Das ISF Reference Model ist um ein Vielfaches einfacher gestaltet als das TMF Reference Model. Es besteht aus nur drei Spalten: 1. Dokumente, 2. TMF Artefakt# und 3. TMF Artefakt Name. Die beiden letzten Spalten referenzieren somit pro Dokument auf die Ablage einer Kopie oder des Originals des Dokumentes (nach der Vorgabe der Sektion 8.2 der ICH GCP E6 Guideline (R2)) unter dem entsprechenden Artefakt im TMF.
Das ISF Reference Model listet nur die Dokumente, die relevant sind für das Prüfzentrum. Das ISF Reference Model in seiner aktuell vorliegenden Form ist auf die Verwendung der Prüfzentren in den USA zugeschnitten. Jedoch kann und sollte das ISF Reference Model für die Verwendung der Prüfzentren in der EU angepasst werden.
Vielleicht kann dieser Schritt in der Folge von MAGI aufgegriffen werden?
Weiterhin ist das ISF Reference Model auf der Homepage von MAGI nur als pdf-Dokument erhältlich und kann daher nicht einfach angepasst werden. Zudem darf das Reference Model, wie in der Fußzeile des Dokumentes angegeben, nur von Mitgliedern (inkl. der Geschäftspartner) von MAGI verwendet werden. Eine MAGI-Mitgliedschaft ist kostenfrei.
Wie bereits beschrieben, ist die Struktur des ISF Reference Models erheblich vereinfacht im Vergleich zu der Struktur des TMF Reference Models, das sich in Zonen unterteilt, die sich wiederum in Sektionen runterbrechen und die Sektionen ihrerseits sind in Artefakte unterteilt.
Auch wenn das TMF Reference Model frei zugänglich ist, sollte überprüft werden, ob das Reference Model in der vorliegenden Struktur zu den eigenen Prozessen und dem verwendeten TMF passt und muss ggf. angepasst werden. Eine Anpassung sollte im Hinblick auf das verwendete System erfolgen – je nachdem, ob ein eTMF, ein Papier-TMF oder evtl. sogar ein Hybrid-TMF verwendet wird. Zudem sollte auch überprüft werden, ob die Struktur des TMF Reference Models zu den jeweiligen Gesetzen und Regularien des entsprechenden Landes oder der Region passt. Ein weiterer Punkt ist, dass wir uns innerhalb der Klinischen Forschung in einem dynamischen Bereich bewegen, in dem Prozesse immer wieder angepasst werden (müssen), so wie dies auch gerade in der aktuellen Zeit, bedingt durch die COVID-19-Pandemie, der Fall ist.
Letzten Endes muss mit dem TMF Reference Model und dem ISF Reference Model analog allen anderen Prozessen und Guidelines innerhalb der Klinischen Forschung verfahren werden. Diese müssen stetig überprüft und angepasst werden, um den aktuellen Gegebenheiten zu genügen. Das beste Dokument oder der beste Prozess ist völlig nutzlos, wenn es / er in der Praxis nicht verwendet / angewendet wird oder werden kann.
Quellenangaben - alle Seiten wurden zuletzt am 07. Juni geöffnet:
ICH GCP E6 Guideline (R2)
TMF Reference Model User Guide v. 16. Mrz 2018 (https://tmfrefmodel.files.wordpress.com/2018/03/tmf-rm-deliverable-user-guide-v1-2018-03-16.pdf)
Journal of Clinical Research Best Practices, Vol. 16, No. 2, February 2020 by Norman M. Goldfarb - Announcing the MAGI eRegulatory Binder Reference Model Version 0.9
(https://www.magiworld.org/resources/journal/2453_eRegBinders.pdf)
https://www.magiworld.org/Home